Barbara Vanderlinden

Neue Räume eröffnen

„Ich glaube nicht daran, dass Kuratoren Ausstellungen entwickeln, indem sie in anderer Leute Fußstapfen treten.“

Barbara Vanderlinden hat bereits auf unterschiedlichsten Plattformen erfolgreich Methoden entwickelt und zur Anwendung gebracht, um Kuratieren in Theorie und Praxis zu untersuchen und zu vermitteln. Dabei ist Sie weniger daran interessiert, mit vorgegebenen Strukturen oder statischen Ausstellungsräumen zu arbeiten, als vielmehr in flexibleren Projekten, neue Räume zu öffnen und einen Diskurs nachhaltig in Bewegung zu versetzen. Hans-Ulrich Obrist, mit dem Barbara Vanderlinden an dem Projekt Laboratorium arbeitete, beschreibt ihr Interesse als das an einer „Struktur der Produktion“, wonach es ihr als Kuratorin frei steht, nicht allein Ausstellungen zu kuratieren, sondern auch Veranstaltungen, hybride Kollaborationen, Bücher, Filme, Videos und Projekte in sämtlichen Medien, die ihre Künstler wählen zu entwickeln.

Ein wichtiger Teil der jüngeren Kunstgeschichte hat sich aufgrund größerer institutioneller Ausstellungen entwickelt, die als Momentum wahrgenommen wurden, indem sie nämlich die Spannungen und Veränderungen in der zeitgenössischen Kunst reflektierten. Ich denke aber, dass die meisten wichtigen Ausstellungen der letzten Jahre eher die Leistung einzelner Personen als die von Institutionen waren. Arnold Bode, Harald Szeemann, Kasper König und Pontus Hulten zum Beispiel haben mit ihren Ausstellungen relevante Fragen über die Rolle des Kurators aufgeworfen. Ein Großteil ihrer Arbeit geschah außerhalb des traditionellen Museums, und das hat eine Diskussion darüber in Gang gesetzt, was eine Ausstellung ist oder sein kann. Ich glaube nicht daran, dass Kuratoren Ausstellungen entwickeln, indem sie in anderer Leute Fußstapfen treten – Ich zumindest tue das nicht. Heute würde ich sagen, die Aufgabe des Kurators ist, die Austellung als ein Momentum neu zu denken. — Barbara Vanderlinden

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Laboratory of Hearing, Exhibition Laboratory, Helsinki, Finnland, Foto: Petri Summanen

Barbara Vanderlinden ist eine international tätige Kuratorin, Kunstkritikerin und Kunsthistorikerin, die gegenwärtig die Professur für Exhibition Studies and Spatiality an der Universität der Künste in Helsinki innehat. Dort ist sie auch Direktorin des Exhibition Laboratory. Barbara Vanderlinden war Gastprofessorin der ersten internationalen Kuratoren-Klasse der Gwangju Biennale Foundation und Co-Autorin von The Manifesta Decade, Debates on Contemporary Art Exhibitions and Biennials in Post-Wall Europe, der ersten größeren multidisziplinären Veröffentlichung über zeitgenössische Arbeitsweisen von Biennalen und großen Ausstellungsformaten. Ihre kuratorische Arbeit ist eng mit dem experimentellen Projekt Roomade und der zugehörigen Ausstellung Laboratorium verbunden, die sich über zehn Jahre erstreckten.

Barbara Vanderlinden war Künstlerische Leiterin der Brussels Biennial for contemporary art, ebenso wie der großangelegten experimentellen Ausstellungen Generation Z im P.S.1 in New York. Kürzlich vollendete sie die Ausstellung Laboratory of Hearing, die in den leeren Galerien des Exhibition Laboratory über vierzig Künstler mit raumspezifischen Interventionen umfasste: Installationen, Tanz, Performance und Gespräche, die sich allesamt dem Klang widmeten, der völlig immateriellen und dabei omnipräsenten Ausdrucksform.

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Laboratory of Hearing, Exhibition Laboratory, Helsinki, Finnland, Foto: Petri Summanen

Freo Majer im Gespräch Barbara Vanderlinden

Was war der entscheidende Grund für Sie, bei Forecast mitzuwirken?

Forecast ist ein ausgesprochen risikofreudiges Projekt, denn es zielt darauf ab, Veränderungen in Gang zu setzen und neues Terrain zu erforschen, indem es sich jüngeren Generationen widmet und ihnen dabei hilft, auf den unterschiedlichsten Feldern Neues zu erproben. Aus meiner Sicht als Kuratorin schätze ich besonders den interdisziplinären Charakter des Projekts, ebenso wie die Tatsache, dass es sowohl Innovation antreibt als auch eine aktive Rolle beim Entwickeln neuer Methoden übernimmt. Als Mentorin unterstütze ich die persönliche Entwicklung eines Mentees, auf der Grundlage meines Wissens und meiner Erfahrung, meines Hintergrunds – das ist eine Art informeller Wissensvermittlung und ein kommunikativer Vorgang aufgrund einer persönlichen Beziehung. Dieser Ansatz ist völlig anders als gewöhnliches Unterrichten, und genau das gefällt mir daran – es ist eine ziemlich neue Form auf dem Feld des Kuratierens, das üblicherweise in Klassen und Kursen gelehrt wird.

Forecast lässt uns an Projekten arbeiten, die sich noch im Zustand der Idee befinden. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Ländern und zeigen große Vielfalt, und wir als Mentoren stellen uns helfend an die Seite, um diese Ideen zu entwickeln, und das macht große Freude. Mentoring an sich ist eine sehr alte Form der Vermittlung. Es besteht nicht darin, Wissen einzutrichtern, sondern darin, Menschen in ihrer Entwicklung zu begleiten und ihnen dabei zu helfen, Veränderungsprozesse zu katalysieren und überhaupt verständlich zu machen. Aber der nicht so offensichtliche Nutzen ist natürlich das Konzept eines „umgekehrten Mentoring“, der Umstand nämlich, dass diese junge Generation von Kuratoren auch uns zu neuen Denkansätzen verhelfen kann. Dass dieser Prozess keine Einbahnstraße darstellt, ist sehr wichtig und einer der Aspekte, die ich an dem Prozess des Mentoring besonders schätze.

Sehen Sie eine Verbindung zu Ihrer Arbeit als Professorin für Exhibition Studies and Spatiality an der Universität der Künste in Helsinki?

Eine meiner Aufgaben als Professorin ist es, mit meinen Kollegen Lehrpläne aufzubauen. Das bedeutet, ernsthaft über die Zukunft der Kunst und ihre Beziehung zum Kuratieren sowie zu Ausstellungspraktiken nachzudenken, denn dazu gehört das Entwickeln neuer Wege für künftige Generationen. Diese erzieherische Rolle bringt die Entscheidung mit sich, was vermittelt werden sollte und wie. Das ist der große Unterschied zum Mentoring, das viel informeller funktioniert und sich weitgehend an dem Weg orientiert, den der Mentee gewählt hat. Dieser sehr offene Prozess, den Forecast ermöglicht, ist aufregend. Ich unterrichte und kuratiere selbst, und darum wird es für mich als Mentorin gehen: einen Bogen zwischen diesen zwei Formen zu spannen, beide fruchtbar zu machen.

Kuratieren ist ein Feld, das sich äußerst schnell entwickelt. Vor fünfzehn Jahren war es noch nicht annähernd, was es heute ist. Heute ist Kuratieren eine weltweite Praxis, und wir wissen noch nicht, was die Zukunft bringen wird. Es wird sehr interessant sein zu sehen, wie wir diesen relativ neuen Beruf auf dem Feld der zeitgenössischen Kunst gestalten helfen können.