Ein Projekt von Maren Kames

90° 0' 0" S

„Das ist das Land längs meiner weißen Angst: karge Brachen, Flächenwuchs, Stille“

ENTER. Eine gleißend weiße Halle. Die Decke ein leuchtend weißer Schirm. Der Boden verschwindet in Lichtschichten. Absenkungen und Erhebungen machen die Schritte unsicher und tastend. Plötzlich ein Puckern, Geräusche, Stimmen, mal laut und unmittelbar, dann wieder flüsternd und brüchig, vereinzelt und unterschwellig, als Echo, im Loop. Projektionen von Sätzen und Textblöcken ziehen sich über die Wände, Ausbuchtungen und Körper im Raum, Texte und Textfetzen flackern auf und tauchen ab, auf den Flächen dieses weiten, weißen, scheinbar leeren, unvorhersehbaren Areals.
 
Mit ihrer Projektidee 90° 0′ 0″ S möchte Maren Kames die visuelle und auditive Dichte ihrer literarischen Stücke in eine physisch wahrnehmbare Erfahrung übersetzen. Als Arrangement aus Klang, Projektionen und Licht möchte sie ihre Texte in einer Umgebung ansiedeln, in denen sie sich wie Körper ausdehnen und wieder zusammenziehen, drehen, wenden und wieder verschwinden. Dieser Umgebung ausgesetzt untersucht und entdeckt der Rezipient die Texte wie eine ihm unbekannte Landschaft.
 
Maren Kames Texte funktionieren wie fragile, offene Gewebe, komponiert aus wechselnden Stimmen, Tonfällen und Dynamiken, bestimmt von musikalischen und filmischen Strukturen wie Tempo, Bildfolgen und Schnitten. In dieser Beschaffenheit tendieren sie dazu, die reine Papierform zu verlassen und in andere Formen überzugehen, in denen Klang und Bewegung gleichermaßen zur Bedeutung der Stücke beitragen. Ihren Text HALB TAUBE HALB PFAU arrangierte Maren Kames in einem Manuskript, das die räumlichen Dimensionen und Bewegungen auf semantischer Ebene in eine typografische Anordnung übersetzt. Darüber hinaus verwendet sie QR-Codes, um in einem parallelen Klangerlebnis eine weitere Ebene des Textes zu entfalten.

marenkames_1
Manuskript HALB TAUBE HALB PFAU
marenkames_2
Manuskript mit QR-Code
marenkames_3
Manuskript mit QR-Code
marenkames_4
Manuskript HALB TAUBE HALB PFAU

Im Hinblick auf das klangliche und räumliche Potential des Textes entstand die Idee zu einer Installation, in der all diese Aspekte des Textes sinnlich erfahrbar würden. Das Stück against: blank ist eine erste Umsetzung dieser Idee dar, die für die Projektidee 90° 0′ 0″ S weiterentwickelt wird. Bei against: blank handelt es sich um ein Hörspiel, das die zentralen Ideen des Manuskripts HALB TAUBE HALB PFAU enthält, aber auch als gesonderte Erzählung rezipiert werden kann. Für dieses Stück hat Maren Kames eine weiße Zelle entworfen und gebaut, in der alle äußeren Einflüsse und Empfindungen so weit möglich reduziert wurden. In diesem intimen, blendend weißen Raum bekommen die Bilder, Szenen und Zustände, die ihre Texte evozieren, einen starken performativen Effekt und werden körperlich wahrnehmbar.

marenkames_1
Installationansicht against: blank
marenkames_2
Installationansicht against: blank

Maren Kames ist Autorin und lebt in Berlin. Ihr Hörspiel against: blank kann poetenladen nachgehört werden. (Wir empfehlen das Stück mit Kopfhörern oder mit externen Stereolautsprecher zu hören.)
 
Fotos: Maxie Fischer (HALB TAUBE HALB PFAU), Julia Tautz (against: blank)