Interview

Der Gang auf den Berg als physischer Vorgang

Im Gespräch mit Bas Princen und Agnieszka Kozlowska

agnieszak und bas Kopie

Wie würdet ihr euren Arbeitsprozess beschreiben?

Bas: Wir haben eine seltsame Beziehung zueinander in dem Sinne, dass es nicht viel Kommunikation gibt. Aber wenn wir miteinander kommunizieren, versuchen wir Dinge ganz genau festzulegen, so wie mögliche Wege oder Pfade, die genommen werden könnten. Es fühlt sich eher so an, als würde man den Prozess betrachten und ihn so stark wie möglich fokussieren. Ich möchte nicht bei Agnieszkas Reisen mitkommen oder bei der Herstellung dabei sein, weil ich denke, dass dies ein zentraler Teil von Agnieszkas Arbeit ist. Es ist wirklich ihre Arbeit, alleine loszugehen und dort diese Zeit zu verbringen, in die Berge zu gehen und es vorzubereiten. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen: Griffe man in diesen Part ein, wäre die Arbeit nicht mehr ihre Arbeit.

Daher ist die Rolle, die ich einnehme, sehr zurückgenommen, und ich versuche zu verstehen, was du tust, Agnieszka. Dann gebe ich meinen Rat und schaue, wo man die Dinge noch präzisieren kann. Meistens besprechen wir die Vorbereitungen: Den Gang in die Berge und die Installation der Kamera, dann die Rückkehr und das Nachdenken über den Prozess, die Beobachtung des Wetters und zu lernen, wie lange die Kamera draußen stehen muss. Es gibt ein sehr klares Regelwerk. Für mich ist das Teil der Arbeit und es ist das, woran ich auf eine gewisse Art am meisten interessiert bin. Wie kann man alle Dinge so präzise vorbereiten, dass du in dem Moment, da du anfängst loszulaufen, frei von allem bist?

Agnieszka: Das ist auch für mich das wertvollste und das, was meine Arbeit am meisten braucht. Das sorgfältige Planen der Herstellung einer jeden Platte im Vorhinein und das anschließende Ausführen dieses Plans im Feld war immer die Art, wie ich gearbeitet habe, und es geht einfach darum, dafür die richtige Ausdrucksweise zu finden.

Du meinst, diesen Prozess dem Publikum oder der Betrachter*in zu kommunizieren?

Bas: Nein, ich würde sagen: was Agnieszka Prozess nennt, nenne ich die Arbeit (lacht).

Ich denke, dass die Arbeit der Gang in die Berge ist. Manchmal zeigt sie mir, ob eine Platte etwas geworden ist oder nicht, aber das ist eher eine technische Frage. Das zu verbinden, was meiner Meinung nach ihre Arbeit ist, hat einiges mit Zurückschwingen zu tun: Das Auf-den-Berg-Gehen und dann ist da das Objekt, das bei diesem Prozess entsteht, dieses sehr präzise Relief. Aber diese beiden Dinge sind in meinem Sinne nicht sehr verbunden. Es geht darum, die verschiedenen Elemente der Arbeit in Position zu bringen: Das Relief ist der Vorwand dafür, auf den Berg zu gehen, und der Gang auf den Berg ist das Werk.

Wie vermittelt ihr dieses persönliche Erlebnis? Wie geht ihr beide mit dem Problem um, etwas Erlebtes fassbar zu machen, eine Sache, die eigentlich eher unmöglich scheint?

Bas: In der Tat habe ich mir diese Frage auch gestellt. Für mich war es schnell klar, dass es nicht nur um die fotografischen Platten geht, es geht um etwas anderes. Die Platten sind die perfekte Entschuldigung. Aber du kannst diese Platten auch dazu nutzen, den kompletten Prozess sichtbar zu machen und pointiert darzustellen. Wir haben viel über diese Frage gesprochen, und deswegen wird es in der Ausstellung Videos geben, die Agnieszka fast automatisiert gedreht hat. Du brauchst einfach eine Aufzeichnung dieses Erlebnisses. Dieses Erlebnis kann niemals als das reale Erlebnis vermittelt werden, das sie hatte. Aber es gibt Aspekte, die dir verständlich machen, dass es um eine Reise geht. Ich glaube, du hast dich schließlich für das Video entschieden, das deine Armbanduhr zeigt, und darauf ist dein Herzschlag zu sehen, während du auf den Berg gehst. Das gefällt mir, denn die Videostills, die ich gesehen habe, zeigen einem nur den Schnee und die Armbanduhr mit dem Herzschlag und nichts weiter. Ich denke, das ist sehr präzise, denn in diesem Moment brauchst du nicht die Erfahrung zu vermitteln, da diese sowieso nicht vermittelbar ist. Das ist der private Teil der Arbeit, und das respektiere ich. Es sollte nicht um die Atmosphäre, Romantik oder Schönheit eines Ausfluges in die Alpen gehen. Aber es gibt eben diesen einen Aspekt darin, es zu tun: Zeit zu verbringen und zu verstehen, wie sich dein Körper zur Umgebung verhält.

Agnieszka: Genau, dieser Ansatz geht zurück auf meine früheren Arbeiten, in denen ich mir die Frage stellte, wie ich diese Erfahrung kommunizieren könnte. Genau um diese automatisierte Art und Weise geht es mir: dass ich einfach gehe und mich nicht darum kümmern müsste, ob dies aufgezeichnet würde. Diese Dinge werden automatisch erledigt durch eine Prozedur, die ich vorab eingerichtet habe. Ich bin froh, dass dieser Aspekt meiner Praxis so deutlich in dieses Projekt eingeflossen ist. Die vorbereitende Planung und die Automatisierung der Arbeit selbst ist auf eine Art immer wichtig gewesen. Der kreative und aufregende Part ist es, diese Art von Ideen zu haben und dann sehr sorgfältig auszuarbeiten, wie und wo ich diese realisieren kann. Wie ich alles bis auf das kleinste Detail ausarbeiten kann. Das ist einfach Recherche, und die nimmt viel Zeit in Anspruch. Und dann gehe ich einfach raus und mache es. Während ich es tue, denke ich nicht mehr darüber nach. Es ist wirklich ein wenig so, als ob ich mich auf Autopilot gestellt hätte. Großartig ist es dann, wenn die Arbeit dies sozusagen einbeziehen kann, so dass ich mir keine Gedanken darüber machen muss, wie ich später die Objekte anordne und ähnliches.

Dann gibt es noch diese verblüffende Ähnlichkeit zwischen der Präsentation zweier Dinge, die beide räumlich und sehr körperlich sind – das Laufen und die drei-dimensionalen Platten, die vom Licht ausgeschabt werden, nicht wahr?

Agnieszka: Ich benutze diese fotografische Technik, weil es um das verkörperlichte Wahrnehmen von Raum geht. Deswegen will ich dieses physische fotografische Objekt das direkt von seiner Umgebung geformt ist. Das Hauptaugenmerk lag zunächst auf dem Laufen als bloßem Mittel zum Aufstellen der Kamera und zur Herstellung der Platte, und hat sich dann mehr auf den physischen Vorgang des Laufens gerichtet.

Bas: Agnieszka, erinnerst du dich noch daran, als du mir beim letzten Mal erzählt hast, dass du auf die südliche Seite der Alpen laufen musstest, weil es nur dort Licht gab? Es gibt viele solcher Fragen, aber sie entstehen sehr langsam, während des Arbeitsprozesses.

Agnieszka: Ja, auf jeden Fall, der ganze Prozess ist so unglaublich langsam. Ich denke, den Leuten ist nicht unbedingt klar, wie langsam die ganze Angelegenheit ist. Vor zwei Jahren habe ich angefangen, mit dem Material zu experimentieren und ich bin noch immer dabei, Dinge herauszufinden. Im Winter dauert jede fotografische Belichtung mehrere Tage oder Wochen weil es so wenig Licht gibt. Und das Licht fällt nur in den südlichen Hängen der Berge, also muss ich mich sehr überlegt positionieren. Für jedes Werk muss ich in die Alpen reisen und auf gutes Wetter warten, um die Kamera aufzustellen. Den gleichen Lauf mache ich erneut, um die Kamera wieder mitzunehmen. Manchmal ist auf der fotografischen Platte nichts zu sehen, weil die Kamera eingeschneit wurde. So verbringe ich Monate nur damit, einige dieser Platten fertigzustellen.

Hier gibt es weitere Informationen zu Agnieszka Kozlowska’s Projekt Carved by Light.